Dichten & Geschichten,  Neue Beiträge

STERNENTÄNZERIN 

Ich schließe die Augen, lausche der Musik, die mich wie Wasser umgibt, regelrecht umspielt. Ich konzentriere mich auf das Gefühl und tauche ein in die Musik.  

Die Klänge sind aufbrausend, genau wie die stürmische See, doch ich weiß, dass ich schwimmen kann, nicht untergehen werde. Mein Herz pocht zuerst schnell, dann immer langsamer.  

Anstelle des harten Bodens des Ballettsaals, spüre ich eine abendliche Sommerwiese und in meinen Gedanken mischt sich das Zirpen von Grillen unter die klassischen Melodien des Klavierstücks.  

Meine Füße tragen mich auf einmal, wie von selbst durch die Luft und ich beginne meinen Tanz. Schwerelos, frei, von all meinen Zweifeln und Sorgen befreit.  

Auch meine Arme gehorchen mir nicht mehr – oder steuere ich das etwa? – und strecken sich. Sie gleiten von einer Position in die Nächste, nach oben Richtung Nachthimmel, so, als würde ich die Sterne vom Himmel pflücken. Erste, zweite, dritte … genau wie im Ballettsaal, nur fühle ich mich nicht mehr ungelenkig. Sterne, ich kann euch sehen, beinahe berühren … 

Dann spüre ich, wie meine Hände den Boden streifen, das Gras berühren. Wie meine Füße über den Boden rennen, in die Luft springen, ich Pirouetten drehe. Fliege ich? Irgendwie – und ich habe keine Antwort auf das wie – fühlt es sich so an … 

Das Zirpen der Grillen überlagert die Musik, wird immer lauter und lauter. Dröhnen, Rauschen- plötzlich ist alles still. So still, dass ich meinen Tanz unterbreche, mitten in den filigranen Bewegungen stoppe.  

Über meinen Rücken huscht eine Gänsehaut, dann bin ich plötzlich wieder in der wirklichen Welt. Nicht mehr frei, sondern im Ballettsaal. Im Spiegel schaut mich mein Gesicht an. Nicht besonders hübsch, auf meinen Kopf sitzt ein verrutschter Dutt.  

Ich drehe mich einmal um die eigene Achse, versuche eine Pirouette auf der halben Spitze hinzubekommen, doch die magische Stimmung von eben, dieses Gefühl von Freiheit ist weg. Der Zauber ist genauso schnell verschwunden, wie er gekommen war. Genauso schnell weg, wie die Fähigkeit eine einzige dieser Drehungen sauber auszuführen. 

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert