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Plastikblumen  

Jahr 2042 

Menschenmengen drängten sich vor den Bildschirmen, die die Ankunft eines riesigen Meteoriten zeigten. Die Aufnahmen sahen bedrohlich aus, Panik brach aus. Schreie ertönten, als der Meteorit weiter raste und das Signal unterbrochen wurde. Die Bildschirme – schwarz. Die Menschen – vor Angst erfüllt.  

Weitere Schreie, dann herrschte Stille. Das Signal war zurück, zeigte ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung, die der Meteorit angerichtet hatte. Das Loch, das beim Einschlag entstanden war, war groß und die wenigen grünen Flächen, die in der Nähe lagen, waren gelb gefärbt.  

Die Sonnenstürme, die aufgrund der Umweltzerstörung gewütet hatten, hatten die Pflanzenwelt beschädigt – fast ganz ausgerottet -, dieser Meteorit würde nicht weniger Schaden anrichten.  

Seit zwei Jahren herrschten diese Zustände und es waren Geräte entwickelt worden, die das Leben auf der Erde weiterhin ermöglichten. Die Angst war fast spurlos verschwunden, als sich herausstellte, dass die Erfindungen funktionierten. Tatsächlich wurde nach wenigen Monaten auch vergessen, was zwei Jahre lang Alltag gewesen war.  

Und auch wenige Wochen später, verschwanden die Erinnerungen an die Auswirkungen des Meteoriten. Dass die Erde ohne Pflanzen nicht funktionieren konnte, auch das vergaßen die Menschen. Nur eine Frau ahnte es und wollte etwas tun. Nur was? Es dauerte zehn Jahre, bis sie es schaffte, endlich etwas zu bewirken.  

Jahr 2052 

Ich lief die Straße entlang, zwischen den riesigen Hochhäusern, die hunderte Meter weit in die Luft ragten.  

Nirgends war eine Pflanze zu sehen, nicht einmal ein Grashalm. Doch ich war auf der Suche nach dem Grün, dass zu finden so schwer geworden war.  

Endlich kam ich an einem Blumenladen vorbei, doch waren es keine echten Blumen, die dort verkauft wurden. Sie waren aus Kunststoff, hergestellt in einer irgendeiner riesigen Fabrik.  

„Hallo“, sagte ich zu der jungen Verkäuferin. „Was kann ich für Sie tun?“, antwortete sie mir. „Haben Sie vielleicht Blumensamen und einen Sack Erde?“ 

Sie verneinte und schaute mich ganz erstaunt an, was ich sie da eben fragte. Manchmal kam es mir so vor, dass ich die einzige Person auf dieser Welt war, die wusste, was Blumen – echte Blumen, nicht die aus Plastik – waren.  

Immer wieder erschreckte mich das. Dabei war ich gerade mal sechsundzwanzig.  

Ich ging wieder auf die Straße und musste mir die kahlen, riesigen Wolkenkratzer anschauen. Viele Autos fuhren an mir vorbei und ich musste die Nase rümpfen. Der Gestank nach Abgasen war unerträglich!  

Langsam zweifelte ich an meinem Ziel, die Welt besser zu machen. Wie sollte das nur eine Frau schaffen? Eine Person, die sich gegen die Zerstörung unseres Heimatplaneten einsetzte, würde doch niemals reichen? Ein Auto fuhr knapp an mir vorbei und ich verdrängte meinen Gedanken.  

Ich ging die Straße weiter. Laut meinem Handy sollte es hier in der Nähe nur noch einen Blumenladen geben. „Tante Marys Blumenladen“  

Allerdings war die Stadt riesig und in der heutigen Zeit bedeutet in der Nähe kilometerweit entfernt.  

Diese Strecke konnte ich unmöglich zu Fuß laufen. Es widerstrebte mir zwar, doch ich rief mir ein Taxi. Der Fahrer war ein älterer Herr, der wie vom Teufel verfolgt die Straßen entlang raste. Als ich schließlich ausstieg, war mir schwindelig. Doch ich blendete dieses unangenehme Gefühl aus und lief los. Nur noch um eine Straßenecke. Seltsam, dachte ich. Ich habe in den letzten Jahren nie ein Geschäft gesehen, dass man nur zu Fuß erreichen kann.  

Ich ging um die Straßenecke. Ich war in eine Sackgasse gelaufen. Auf dem Boden war ein roter Pfeil mit der Spitze nach links gemalt. Ich folgte der Pfeilspitze und sah ein altes, verwittertes Schild. Die Wörter, die darauf abgebildet waren, waren mit grüner Farbe geschrieben worden.  

„Umweltsünder müssen draußen bleiben!“  

Ich wunderte mich, beschloss aber hineinzugehen. Ich war keine Umweltsünderin, somit durfte ich das kleine Geschäft betreten. Eine alte Frau saß in einem Sessel und streichelte gedankenverloren ein Blatt. Das Blatt eines Ahornbaumes. 

Ich staunte. „Guten Tag.“, begrüßte mich die Frau, wahrscheinlich „Tante“ Mary. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ 

„Äh … äh …« Ich stotterte. Vor mir saß eine Frau, die ernsthaft ein Blatt streichelte. Gab es das wirklich? Träumte ich nur? »Ja … ich suche … ich suche Samen. Blumensamen.“ Die Frau blickte ungläubig auf. „Ich habe nichts aus Plastik in meinem Laden!“, schrie sie mich mir einer schrillen Stimme an.  

„Ich will auch nichts aus Plastik.“ Noch ein ungläubiger Blick.  

„Wofür brauchst du sie?“  

„Ich … ich will Blumen und vielleicht sogar Bäume auf Hochhäusern und ungenutzten Flächen pflanzen. Unser Planet geht immer mehr in die Brüche!« 

Immer ungläubiger starrte mich die Frau an, aber es schien so, als wäre sie glücklich, dass jemand den Ernst der Lage verstand.  

„Ich weiß, nur wenige achten auf die Natur, sie sehen nicht das Ausmaß der Zerstörung. Bitte, meine Liebe, bitte nimm sie“ Die Frau stand auf und nahm sich eine große Dose. 

„Und diesen kleinen Freund hier.“  

Sie gab mir den kleinen Ahornbaum und die Dose. Ich sah, wie schwer es ihr fiel, doch sie lächelte dabei.  

„Geh und verändere die Welt!“ Ich musste lächeln, aber dachte mir auch gleichzeitig wieder, dass ein einzelner Mensch nichts verändern konnte. Und falls doch, dann nur so wenig, dass es nicht nennenswert wäre. 

Ich bat die Dame noch um einen Sack Erde, bei dem vielen Stein und Beton würde sonst nichts wachsen. Sie gab mir einen und lächelte dabei. Diese alte Frau unglaublich glücklich.  

Ich ging aus dem Laden und eine kleine Glocke, die mir beim Betreten noch gar nicht aufgefallen war, gab einen Ton von sich. Er war klar, eine Mischung aus hell und dumpf, laut und leise. Dieser Ton war fröhlich und gab mir ein wenig Hoffnung, dass vielleicht doch alles gut werden könnte. Dass wir unseren Planten retten könnten. Doch eine Frage plagte mich: Wie sollte ich das schaffen? War es nicht sowieso schon viel zu spät? War das Schicksal unseren einst blau-grünen Planten, der mittlerweile nur noch wenige grüne Flächen besaß, längst besiegelt? 

Die Sonne blendete, als ich aus der Tür des kleinen Ladens trat. Stickige Luft herrschte in der Sackgasse. Erst jetzt entdeckte ich in einer Ecke zwei riesige Müllcontainer. Wie konnten mir die vorher noch nicht aufgefallen sein? Wahrscheinlich war ich zu nervös gewesen und hatte deswegen so wenig wahrgenommen. 

Ich lief los, durch die kleine Straße, dem Pfeil entgegen, eine weitere Straße entlang, bis ich wieder an der Hauptstraße ankam. Autos brausten an mir vorbei. Noch immer gab es Autos. Dabei hieß es in einem Abkommen, das alle Länder der Welt unterzeichnet hatten, dass bis 2050 Autos komplett abgeschafft werden sollten, selbst so welche, die mit Strom angetrieben wurden. Doch daran, dass es noch immer Autos gab, die Zeit unaufhaltsam vorangeschritten war und die Umsetzung des Abkommens schon zwei Jahre überfällig war, konnte man erkennen, dass vielen die Rettung unseres Planeten scheinbar egal war.  

Ein weiteres Mal hielt ich ein Taxi an und stieg ein, sagte, dass es mich zum Stadtpark bringen sollte. Doch Park traf die betonierte Fläche nicht wirklich, auf der zahlreiche Imbissbuden standen, einige Bänke und ein Freiluftkino.  

Als ich dort ankam, stürzte ich schon fast durch die Tore. In der Mitte der Fläche, auf der gar nichts stand, einfach nur graue Fläche war, schüttete ich den Sack Erde aus und machte mich an die Arbeit. Aufschaufeln, aufschaufeln, aufschaufeln. Leute kamen vorbei und sahen mir irritiert zu.  

Als ich fast fertig war, bemerkte ich ein Fernsehteam. Es stand direkt vor mir. Eine Frau erzählte etwas an die Kamera gewandt.  

Mittlerweile war eine kleine Versammlung aus den Schaulustigen entstanden. Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Stirn und stand auf.  

An einem Hochhaus an der Nähe war ein großer Fernseher angebracht. Darauf liefen die aktuellen Nachrichten. Eine Moderatorin war zu sehen, im Hintergrund eine Frau, die Erde aufschaufelte. Mich. 

„Breaking News: Frau zerstört Park“ Meinten die mich? Zumindest sah ich mein geschocktes Gesicht auf dem Bildschirm. 

Plötzlich stürzte sich die Nachrichtensprecherin regelrecht auf mich und fing an, mich zu interviewen.  

„Guten Tag. Warum machen Sie das? Warum zerstören Sie den Park?“, lautete ihr erster, viel zu schnell gesprochener Satz.  

„Ähm…“, stotterte ich. „Ich zerstöre den Park nicht!“ Meine Stimme klang wütend und ich brüllte meine Antwort ins Mikrofon. Die Menschenmenge starrte mich an; Für sie war ich eine völlig Verrückte, eine Irre! 

Was ich sagen wollte, klang aber auch wirklich absurd und größenwahnsinnig, aber ich musste es sagen. „Ich … es tut mir leid, dass ich eben so reagiert habe … aber … Welt geht kaputt. Viel zu lange haben wir nicht auf unsere Umwelt geachtet. Ich habe das gemerkt und wollte helfen. Ich wollte unseren Planeten retten …“  

Ein Reporter lief mit eiligen Schritten auf mich zu. Auch neben ihm stand ein Fernsehteam.  

„Wollen Sie den Leuten noch etwas sagen?“ „Sie scheinen irgendwie vernünftig … obwohl es dennoch absurd klingt, was Sie da gesagt haben. Na ja, zumindest sind Sie live auf Sendung.“, flüsterte mir die Nachrichtensprecherin neben ihm zu. 

„Ja, ich möchte etwas sagen. Etwas Wichtiges. Ein Mensch allein kann nicht viel bewirken. Zumindest dachte ich das immer. Aber wir können zusammenarbeiten. Wir können die Erde noch retten, bevor es zu spät ist – wir müssen Lösungen finden!  

Sehen Sie sich nur diese Hochhäuser an. An der Fassade könnte man Blumentöpfe anbringen, mit Erde befüllen und dort Grünes anpflanzen. Wir sollten keine Blumen aus Plastik verkaufen, sondern echte!“ 

Stolz schaute ich in die Kamera. Vielleicht würden mich die Menschen endlich verstehen.   

„Lösungen – wirklich gute Lösungen zu finden, das ist schwierig. Ich weiß das, ich habe das in meinem Leben schon oft genug merken müssen. Und noch dazu alles richtig zu machen? Das ist fast unmöglich. Menschen machen nun mal Fehler. Aber wir sollten zumindest versuchen, unsere Fehler wieder rückgängig zu machen! 

Wir könnten Autos entwickeln, auf denen Pflanzen wie Moos oder Gras wachsen. Wir können viel erreichen, aber nur, wenn wir zusammenarbeiten!“ 

Ich stoppte kurz. Ich wollte noch ein Beispiel sagen. Irgendeine Idee, um zu zeigen, dass wir so viel verändern können. Dann fiel mir etwas ein.  

„Wir könnten, wenn wir Auto fahren, gleichzeitig Strom produzieren. Solarzellen als Straßen nehmen. Wir müssten sie verbessern, dass sie nicht kaputtgehen und erstmal würde es viel Geld kosten. Aber ist es nicht besser, jetzt das Geld zu investieren, als in wenigen Jahren nur wegen unserer Dummheit nicht mehr da zu sein?“ 

Damit beendete ich meine kleine Ansprache, während der ich immer mutiger und entschlossener geworden war. Ich wollte die Leute, dass wir handeln müssen und es gute Lösungen gibt, mit denen wir der Natur helfen.  

Und damit unserer Welt und Zukunft.  

Wir sollten Hand in Hand arbeiten.  

von Leonie Lena Strobel

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