Warum das Schulportal nicht der „aktueller Standard in Sachen Technik, Design und Handhabung“ ist
Am 16.03.2020 kam es zum ersten coronabedingten Lockdown und damit zur ersten Schulschließung. Die Schule setzte, wie wir alle wissen, natürlich nicht aus, sondern ging in digitaler Form weiter. Schon vorher stellte der Main-Kinzig-Kreis für jeden eine Office 365 Lizenz zur Verfügung. Im Home-Schooling hatten dann alle Lehrenden die Wahl zwischen Microsoft Teams, OneNote oder Outlook oder einer Mischung aus mehreren. Viele Schüler*innen fanden das aber zu unübersichtlich, deshalb wurde im nächsten Lockdown überwiegend nur noch auf Teams gesetzt. Die meisten Probleme wurden damit gelöst, doch ein großes Problem blieb: Der Datenschutz. Da der Firmensitz von Microsoft in den USA liegt und in den USA zur Strafverfolgung alle Daten an die Regierung weitergegeben werden müssen, ist Microsoft Teams nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung, kurz DSGVO, vereinbar. Dazu kommt, dass Microsoft, laut eigener Aussage, auch für eigene Zwecke personenbezogene Daten sammelt. Als Allgemeinlösung für dieses Datenschutzproblem bietet das Land Hessen das Schulportal an. Von Schüler*innen oft als unnötig und unschön angesehen, aber was steckt eigentlich dahinter und ist es vielleicht doch nicht so schlimm?
Der Datenschutz gilt als Hauptgrund für das Schulportal. Oft wird dieses Argument mit einem einfachem „Ich habe doch nichts zu verbergen“ oder „Was interessiert Microsoft meine schulischen Daten“ versucht zu entkräften. Ist Datenschutz wirklich so unwichtig? Eigentlich hat doch jeder Mensch etwas zu verbergen bzw. will nicht das manche Daten in fremde Hände gehen. Seien es Chatverläufe, die E-Mailadresse, der genaue Vor- und Zuname, oder andere Dinge wie freigegebene Dokumente. Gerne kommt es bei großen Programmen auch mal zu Datenlecks, was dazu führt, dass personenbezogene Daten im Internet landen, wodurch in der Theorie jeder Daten über jemand anders herausfinden kann. 2018 gab es zum Beispiel einen großen Facebook-Hack, wodurch personenbezogene Daten im Internet landeten. Wie Microsoft im Endeffekt wirklich mit gesammelten Daten umgeht, ist relativ unklar. Microsoft selbst sagt, etwas schwammig, dass kein Data-Mining, Analyse von bestehenden Daten zur Gewinnung weiterführender Daten, für Marketing- oder Werbezwecke, betrieben wird. Auch wenn gesammelte Daten nur zur Optimierung der eigenen Software beitragen würden, macht Microsoft mit personenbezogenen Daten viel Geld. Des Weiteren gibt es in den USA ein Gesetz, das dort sitzende Firmen dazu verpflichtet, personenbezogene Daten an die Regierung und staatliche Behörden, Zwecks Strafverfolgung, weiterzugeben. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches besagt, dass man selbst entscheiden darf und sogar soll, welche personenbezogenen Daten im Netz landen, und die DSGVO werden also verletzt.
Inwiefern trägt das Schulportal also dazu bei, personenbezogene Daten zu schützen? Es ist ein open source Programm, das heißt der Quellcode ist offen einsehbar und damit auch an wen Daten weitergegeben werden oder andere Sicherheitslücken. Transparenz ist hier also das Sicherheitskonzept. Da das hessische Schulportal ein Programm des Landes Hessen ist, werden Daten nicht an die Regierung weitergegeben, da in es in Deutschland, anders als in den USA, kein Gesetz gibt, welches Firmen zur Datenweitergabe an Behörden weitergibt. Also ist das Schulportal mit der DSGVO vereinbar.
Für viele mag das Schulportal jetzt ziemlich plötzlich und kurzfristig erscheinen, aber eigentlich ist es schon seit 2018 in Teilen online. Damals war die Fertigstellung Ende des Schuljahres 2020/21 und die flächendeckende Nutzung in Hessen im Laufe des Schuljahres 2021/22 geplant. Es wird zwar schon an vielen Schulen im Land Hessen verwendet, ist aber noch leider unfertig. Die wichtigste Funktion, die auch Teams ersetzten sollte, fehlt. Zum Aktuellen Zeitpunkt sind noch keine Videokonferenzen möglich. Microsoft Teams war eigentlich auch nie eine Langzeitlösung, sondern sollte nur bis zum 31.07.2021 genutzt werden dürfen. Da aber noch keine Videokonferenzen möglich sind, soll Teams noch so lange verwendet werden dürfen, bis Videokonferenzen möglich gemacht werden.
Ein erster Blick auf die Website des Schulportals zeigt, dass das Fachwissen in Sachen Optimierung des digitalen Unterrichts in der Theorie gegeben ist, aber die technische Umsetzung in Sachen Design eher weniger. Es ist weder übersichtlich noch intuitiv gestaltet worden. Stattdessen erinnert das Design eher an eine Designvorlage aus einem „JavaScript für Dummies“ Buch. Entwickelt wurde es von der hessischen Lehrkräfteakademie. Laut der Website der hessischen Lehrkräfteakademie, wird mit 20 Jahre Programmiererfahrung gearbeitet. Vom Kultusministerium wird das Schulportal deshalb auch als „aktueller Standard in Sachen Technik, Design und Handhabung“ beworben. Das entspricht leider nicht wirklich der Realität.
Weitere Nachteile des Schulportals sind, dass es keine Mobile oder Desktop App gibt, sondern es immer über den Browser aufgerufen werden muss. Eine Gruppe der Hochtaunusschule in Oberursel arbeitet zwar, laute eigener Github Seite, an einer Schulportal App, aber nicht offiziell. Außerdem bietet das Schulportal nur 500 MB Cloudspeicher, hingegen Microsoft mit dem Office 365 Abo, welches vom Kreis für das Grimmels bereitgestellt wird, 1TB Cloud Speicherplatz. Das ist mehr als 2000x so viel wie das Schulportal. Auch mit der Gratisvariante, bietet OneDrive rund 10x so viel Speicherplatz wie das Schulportal. Schuld daran sind höchstwahrscheinlich die verwendeten Server, welche schon, wie sie selbst zugeben, am Freitag, dem 13.03.2020, also dem ersten Tag im Lockdown, für das Wochenende ausfielen. Kurze Erinnerung, damals haben bei weitem noch nicht alle Schulen damit gearbeitet. Wie sollen also jetzt alle Schulen in Hessen gleichzeitig damit arbeiten?
Natürlich gibt es nicht nur schlechte Seiten am Schulportal, sondern auch ein paar gute. Die Stunden- und Vertretungspläne können online eingesehen werden, schulübergreifende Lerngruppen sind möglich durch den hessischen Bildungsserver und wie oben erwähnt ist der Datenschutz beim Schulportal deutlich mehr gegeben als bei Microsoft Teams. Außerdem werden auch viele individuelle Lehrmethoden und digitale Möglichkeiten für z.B. Anwesenheitslisten und Notengebung ermöglicht.
Darf jetzt überhaupt noch mit Microsoft Programmen gearbeitet werden? Ja, Teams darf so lange verwendet werden, bis das Schulportal eine Videokonferenzfunktion bietet. Andere Programme, wie Word oder PowerPoint dürfen ohne Cloudspeicherfunktion immer noch genutzt werden. Aktuell ist die OneDrive App auf den Schulcomputern gesperrt, auf den persönlichen Cloud Speicher kann aber immer noch gespeichert werden über die „Automatisch Speichern“ Funktion. Verboten sind oder werden sein Programme, die auf Microsoft Server zugreifen, z.B. OneDrive und Teams.
Ob man jetzt besseres Design für guten Datenschutz eintauschen möchte oder umgekehrt ist natürlich jedem selbst überlassen. Ob aber gutes, digitales lernen mit dem durchaus unübersichtlichem Schulportal gewährleistet werden kann, ist äußerst fraglich, da es bei Teams auch schon extrem viele Schwierigkeiten gegeben hat. Aber für jeden sollte dennoch klar erkennbar sein, dass es, entgegen der Aussage des Kultusministers, ein großer Rückschritt in Sachen Technik, Design und Handhabung ist.
Von Nathan Bonin