Nickelodeon macht dumm?
„Du darfst kein Nickelodeon schauen, das macht dumm!“
Das erklärte mir meine Mutter, als ich mir im frühen Grundschulalter lieber „SpongeBob“ als „Löwenzahn“ hätte angucken wollen.
Dementsprechend bestand mein Medienkonsum aus der „Sendung mit der Maus“ oder „Lauras Stern“, als ich älter wurde, aus „Pur+“ und „Logo“. Mir hat das – zumindest aus meiner momentanen, subjektiven Sicht – nicht geschadet. Laut einer amerikanischen Studie von Forschenden am Cincinnati Children’s Hospital Medical Center würde doch genau dieser Medienkonsum der Sprachentwicklung von Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren schaden.
Aber meiner Erfahrung nach ist das Gegenteil der Fall: Gerade durch Reportagen wie die Sendung mit der Maus, konnte ich mein Wissen erweitern. In Kinderserien, die erstmal nur der Unterhaltung dienen, werden mit Figuren, mit denen man sich als Kind für gewöhnlich identifizieren kann, Aspekte des Alltags beleuchtet. Und zwar mithilfe von Dialogen.
So oder so findet in Filmen und Serien Kommunikation statt – verbal und nonverbal. So hat ein Kind ein sprachliches Vorbild. Der Wortschatz wird vergrößert und das Hören und Verstehen gefördert. Dieselbe Methode hilft mir und vielen Anderen in meinem Alter, die eigenen Englisch-Kompetenzen zu verbessern. Denn zumindest in Realverfilmungen wird normalerweise eine authentische Sprache wiedergegeben.
Dennoch wird während des Medienkonsums eigentlich nicht gesprochen, was ja eigentlich essentiell für das Erlernen einer Sprache ist. Außerdem besteht Medienkonsum ja nicht nur aus Filmen und Serien, sondern auch aus Spielen – seien sie auf einer Konsole oder auf dem Handy. Hier können zwar andere Kompetenzen wie Konzentration gefördert werden, die Sprache wird aber vernachlässigt.
Nun muss ich anerkennen, dass es deutlich bessere Wege für ein Kleinkind gibt, das Sprechen zu lernen: Nur in tatsächlichen Konversationen kann sich eine flüssige Sprache bilden. Mit Gleichaltrigen, mit Eltern, Geschwistern, Betreuenden und anderen Bezugspersonen. Lernen also durch Probieren und Üben. Medien können das natürlich nicht ersetzen.
Aber selbst, wenn ein regelmäßiger Medienkonsum den Sprachgebrauch nicht fördern sollte, wage ich zu bezweifeln, dass er einen direkten Schaden anrichten soll. Denn warum sollte eine Konfrontation mit der Sprache deren Entwicklung verzögern oder gar verhindern? Hier sollte man Korrelation nicht mit einem kausalen Zusammenhang verwechseln: In Deutschland gingen lange Zeit sowohl die Storchenpopulation als auch die Geburtenrate zurück. Heißt das, Storchen bringen Kinder, weniger Storchen bringen weniger Kinder? Nein. Das ist Korrelation, keine Kausalität. Damit möchte ich keinesfalls die Daseinsberechtigung der Sorge um die Kinder der nächsten Generation bestreiten. Es ist wichtig, sich über die Konsequenzen der digitalen Medien im Klaren zu sein und gegebenenfalls präventiv handeln zu können. Aber eine Studie, die lediglich diese Korrelation untersuchte, bestätigt Medienkonsum noch lange nicht als Ursache für gestörte Sprachentwicklung.
Womöglich besteht hier ein anderer Grund: Womöglich neigen Eltern, die ihrem Kind einen hohen Medienkonsum erlauben, auch eher dazu, relativ wenig mit dem Kind zu sprechen. Womöglich neigen diese Eltern auch dazu, mit ihrem Kind wenig Zeit an der frischen Luft zu verbringen oder die Fragen ihres Kindes nur kurz oder gar nicht zu beantworten. Das wissen wir nicht. So wie wir nicht wissen, ob erhöhter Medienkonsum das Sprachvermögen behindert.
Ich denke, dass die Balance das Entscheidende ist bei der Erziehung von Kindern. Natürlich brauchen Kinder Bewegung, Sonne, Spaß, Nähe und tatsächliche Kommunikation. Doch dem Alter entsprechende Medien (Serien, Filme und Spiele) können die Entwicklung ebenso fördern – zumindest in gewissem Maß.
Also nein. Aus meiner Sicht macht Nickelodeon nicht dumm.
Johanna Bonin